Das Radkreuz, auch Sonnenkreuz oder Sonnenrad (dän. Hjulkors), ist ein Motiv der Ikonografie der nordischen Vorzeit. Es ist ein kreisrundes Rad, dessen Speichen ein Kreuz bilden, das den Kreis in vier gleich große Bereiche teilt. Das Motiv tritt als Petroglyphen, wie den Felsritzungen von Allinge-Sandvig, und auf Deckensteinen von Großsteingräbern (Bunsoh, Mechelsdorf 2) zumeist aber auf bronzezeitlichen Fundstücken auf. Einerseits ist das Radkreuz ein Abbild der Sonne bzw. der Sonnenscheibe, andererseits kann es laut dem dänischen Archäologen Flemming Kaul als Symbol für den Tag-Nacht-Zyklus sowie den Zyklus der Jahreszeiten interpretiert werden. In ägyptischen Darstellungen tauchen dem Radkreuz gleichende "Vierspeichenräder" an Streitwagen auf. Diese Form ist technisch nicht fahrfähig und hat somit lediglich symbolischen Charakter. Im Mittelalter ist es als Weihekreuz an Kirchengebäuden verwendet worden.
Die Darstellung findet sich bei vielen bronzezeitlichen Kultobjekten, so z.B. dem Sonnenwagen von Trundholm oder auf verzierten Rasiermessern aus Bronze, z.B. in Form des Sonnenschiffs.
Radkreuze finden sich besonders in Felsbildern und Steinverzierungen, z.B. auf Bornholm oder Greby. Sie kommen auch als Mittelteil anthropomorpher Darstellungen vor. Radsymbole sind nach Schälchen und Schiffen die größte Bildgruppe der Felsritzungen in Skandinavien. Petroglyphe mit vier, seltener mit acht Speichen finden sich in Dänemark und in Schweden.
In Felsritzungen sind Radkreuze oft auf Sockeln (Sonnenstelen) dargestellt. Da Felsbilder vermutlich realistische Darstellungen von Ritualen sind, kann davon ausgegangen werden, dass in den Zeremonien echte Radkreuze verwendet wurden. Solche sind durch Funde belegt, z.B. durch ein Miniatursonnenbild auf einem Ständer (Dänisches Nationalmuseum) sowie einem Stein in Radkreuz-Form mit vier Schalengruben, der 1999 auf Seeland gefunden wurde.
Radkreuze in Deutschland
Ein Radkreuz befindet sich auf dem Deckstein des Großsteingrabes von Bunsoh in Schleswig-Holstein. Findlinge mit entsprechenden Darstellungen sind auch in Mecklenburg-Vorpommern bei Megalithanlagen in der Region um Rerik belegt. Ein etwa 60 kg schwerer Sandstein (0,54 x 0,49 x 0,26 m) wurde von einem Fossiliensammler etwa 1988 am Ostseestrand bei Börgerende-Rethwisch (Landkreis Rostock) in einem Lesesteinhaufen entdeckt. Der Stein gelangte 2013 in das Museum von Rerik.
Symbolische Bedeutung
In der freien Interpretation des Radkreuzes als Darstellung des zyklischen Laufs der Sonnenbewegung im Tag-Nacht-Rhythmus, stellt die waagerechte Kreuzstrebe die Erde als Scheibe dar. Der obere Halbkreis zeigt damit die Bahn der Sonne am Tag, vom morgendlichen Sonnenaufgang (linker Schnittpunkt) über den Mittag bis zum abendlichen Sonnenuntergang (rechter Schnittpunkt). Der untere Halbkreis stellt die Bahn der Sonne in der Nacht durch die Unterwelt dar. Bei der Übertragung auf den Zyklus der Jahreszeiten ist der Sonnenaufgang mit dem Frühling, der Mittag mit Sommer, der Sonnenuntergang mit dem Herbst und die Mitternacht mit dem Winter gleichzusetzen.
Neuere Verwendung als Symbol
In der Gegenwart findet das Radkreuz in Abwandlung weiterhin als Symbol Verwendung, z.B. in Neopaganismus, Esoterik und Okkultismus, aber auch bei Gruppierungen mit rassistischer und neonazistischer Ideologie.
Religiöses Symbol
Wie die Swastika wird das Radkreuz als Sonnenkreuz von neuheidnischen Gruppen und Organisationen als Repräsentation der Sonne und des Jahreskreislaufs genutzt. So existiert in der Wicca-Religion ein Jahresrad mit vier solaren Festen. In verschiedenen Feuerbräuchen werden Feuerräder, d.h. Radkreuze aus Stroh verwendet.
Der neuheidnische Verein Germanische Glaubens-Gemeinschaft verwendet als Symbol einen Thorhammer vor goldenem Radkreuz auf blauem Grund.
Im Christentum findet es sich als Weihe- oder Apostelkreuz in diversen Kirchen. Veraltet wird es auch als Päpstliches Kreuz bezeichnet, da es bis zur Reformation auch als päpstliches Hoheitszeichen diente. Das heutige Papstkreuz hat jedoch eine andere Form. Im Kloster Memleben (Sterbeort Kaiser Otto des Großen) findet man ein Radkreuz in der Mauer des Ostflügels der Klausur.
Politisches Symbol
Die europäisch föderalistische Paneuropa-Union verwendet ein rotes Radkreuz (Symbol für die Menschlichkeit) mit gelbem Hintergrund (Symbol für die Aufklärung) in einer blauen Flagge.[4] Nach der Gründung von Europarat und Europäischer Union wurde ein Kreis aus zwölf Sternen hinzugefügt.
Die norwegische 1933–1945 bestehende faschistische Partei Nasjonal Samling verwendete ein goldenes Sonnenkreuz auf rotem Hintergrund als Emblem.
Die schwedische 1956–2009 bestehende[5] Neonazi-Partei Nordiska rikspartiet verwendete das schwarze Radkreuz auf roter Flagge.
Wissenschaftliches Symbol
In der Mathematik ist ⊕ (eingekreistes Pluszeichen, Unicode: U+2295 circled plus sign) das Verknüpfungszeichen für die vektorielle direkte Summe sowie ein gelegentlich verwendetes Verknüpfungszeichen für die logische Kontravalenz.
In der Astronomie und Astrologie ist das eingekreiste Pluszeichen ⊕ eines der beiden Symbole für die Erde. Das Kreuz im Kreis steht hierbei für den Äquator und den Nullmeridian, astrologisch symbolisiert es zusätzlich in der Horoskopzeichnung den Glückspunkt (Pars Fortuna). Von den beiden Erdsymbolen wird dies in der Astronomie häufiger verwendet, das andere (♁, Unicode: U+2641 earth) überwiegend in der Astrologie.
In der Alchemie ist das dem eingekreisten Pluszeichen ähnliche 🜨 das Symbol für Grünspan („æs viride“, Unicode: U+1F728 alchemistical symbol for verdigris im Block Alchemistische Symbole).
Sonstige Verwendung
Im englischen Dartmoor gibt es in Stein gehauene Radkreuze, die als Grenzmarken (Boundary marks) gelten.
Das Erdsymbol ⊕ wird auch als Gender-Symbol für Intersexualität verwendet. Dies geschieht nicht ohne Grund, denn "intersexuell" bedeutet zwischen den Geschlechtern. Die Geschlechter werden durch das Mars- ♂ (Mann) und das Venussymbol ♀ (Frau) repräsentiert, und die Erde liegt zwischen Mars und Venus. Häufiger wird jedoch eine Kombination aus Mars- und Venussymbol ⚥ verwendet.
Ähnliche symbole:
- Taranis (wheel-god)
- Keltenkreuz
- Radanhänger
- Radnadel
- Radgrab
- Wirbelrad
Radkreuz in anderen Sprachen:
- Sun cross (english)
- Sólarkross (Íslenska)
- Solkors (Svenska)
- Solkorset (Norsk bokmål)
- Solkross (Norsk nynorsk)
- Saulės kryžius (Lietuvių)
- Sluneční kříž (Čeština)
- Słoneczny krzyż (Polski)
- Sonjachnyj krest (Ukrajinska)
- Creu solar (Català)
- Cruz solar (Español)
- Croce solare (Italiano)
- Hjulkors (Dansk)
- Radkreuz (Deutsch)
- Rõngasrist (Eesti)
- Güneş haçı (Türkçe)
- Aurinkopyörä (Suomi)
- 太陽十字 (日本語)
- 태양 십자 (한국어)
Reference litterature:
- Smith, D. J.: The Pagan Cross, ISBN 978-1-4141-0426-3
- Hislop, Alexander: The Two Babylons, kapitola V, část VI.
- Martin Persson Nilsson, The Minoan-Mycenaean Religion and Its Survival in Greek Religion, Biblo & Tannen Publishers, 1950, p. 421. "there is a wide-spread opinion that the equal-limbed cross is another symbol of the sun. It was, for example, a favourite theory of the late Professor Montelius, and has been embraced by many other archaeologists; its wide acceptance being due to an interest in finding a pre-Christian origin of the symbol of Christianity. The disc of the sun was regarded as a wheel; hence the myth that the sun-god drives in a chariot across the heavens"
- Karl Georg Wieseler (1813–1883), Untersuchungen Zur Geschichte Und Religion Der Alten Germanen in Asien Und Europa, 1881, p. 157. The suggestion of a specifically Gothic variant of the runic alphabet partially preserved in the Gothic alphabet is due to Jacob Grimm's Deutsche Mythologie (1835).
- Richard Nicolaus Graf von Coudenhove-Kalergi, Kampf um Paneuropa aus dem 1. Jahrgang von Paneuropa, Paneuropa Verlag, 1925, p. 36.
- e.g. Karl Hans Strobl, Die Runen und das Marterholz, Zwinger-Verlag, 1936, p. 138; Waldemar Müller-Eberhart, Kopf und herz des Weltkrieges: General Ludendorffs Wertung als Deutscher, Georg Kummer, 1935 p. 244.
- entry at the Nebra sky disk exhibition site (landesmuseum-fuer-vorgeschichte-halle.de)
- Snoldevel stone's photograph depicted in arild-hauge.com.
- Flemming Kaul: Der Mythos von der Reise der Sonne. Darstellungen auf Bronzegegenständen der späten Bronzezeit. In: Gold und Kult der Bronzezeit. (Ausstellungskatalog). Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2003. ISBN 3-926982-95-0
- Peter Vilhelm Glob: Helleristninger i Danmark (= Jysk Arkæologisk Selskabs skrifter. Bd. 7). Jysk Arkæologisk Selskab, Højbjerg 1969. ISSN 70107-2854
- Kostveit, Østmoe Åsta: Kors i kake, skurd i tre. Tegn og symboler i folkekulturen. Landbruksforlaget 1997. ISBN 82-529-2231-7
- Hans Cappelen og Knut Johannessen (red.): Norske kommunevåpen, Oslo 1987, side 204
- Hans Cappelen: «Bumerker i Norge – en oversikt» i Anders Bjønnes m.fl. (red.): Segltegninger fra hyllingene i Norge 1591 og 1610, Norsk Slektshistorisk Forening, Oslo 2010, side 60
- Liungman, C. G. (1974): Symboler, Sverige. Side 197
- Østmoe, Åsta Kostveit (1997): Kors i kake, skurd i tre. Tegn og symboler i folkekulturen. Oslo. 3. oppl. 2003. Side 53
- Walker, Barbara G. (1988): The Woman’s Dictionary of Symbols and Sacred Objects. New York. Side 7.
- Dahlby, Frithiof: De heliga technens hemlighet. Stockholm 1963. Side 52
- Østmoe, Åsta Kostveit: Kors i kake, skurd i tre. Side 54
- Terje Emberland (2003). 'Religion og rase'. Oslo: Humanist Forlag AS. ISBN 82-90425-53-8.
- Oddvar K. Høidal (1988). 'Quisling: En studie i landssvik' (Revidert utgave 2002 utg.). Oslo: Orion. s. 61. ISBN 82-458-0528-9. [[Hans S. Jacobsen] mente kristendommen hadde brakt noe «uekte og unaturlig inn i vårt folks liv». Av den grunn kritiserte han valget av Olavskorset som partiemblem og hevdet at partisymbolet var unordisk.]
- Oddvar K. Høidal (1988). 'Quisling: En studie i landssvik' (Revidert utgave 2002 utg.). Oslo: Orion. s. 153. ISBN 82-458-0528-9. [[Quisling] følte han hadde en oppgave i livet når han identifiserte seg med fordums helter, først og fremst Olav den hellige. Nasjonal Samling benyttet derfor mer historisk symbolikk enn noe annet parti. Emblemet var Olavskorset, Hirden hadde fått navn etter vikinghøvdingenes livgarde, og partiets hilsen var det gammelnordiske «heil og sæl»]
- NorgesLexi, oppslagsord «Solkors»
- Symbol på yr.no
Links:
- http://altreligion.about.com/library/glossary/symbols/bldefssolar.htm
- http://www.seiyaku.com/customs/crosses/sun.html
- http://www.landesmuseum-fuer-vorgeschichte-halle.de/himmel/en_standarte.htm
- http://www.symbols.com/encyclopedia/29/291.html
- http://www.thewordsofeternallife.com/cross.html
- astronomycafe.net: Where did the symbol for the Earth originate?
- http://www.designboom.com/history/cross_2.html
- http://www.aratta-ukraine.com/sacred_ua.php?id=17
- http://social-science.com.ua/article/146
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